Dieser Artikel von Annette Hoffmann erschien am 5. November 2011 in der Basler Zeitung
Skulpturen,
die nur für sich stehen
Der Bildhauer Peter Moilliet feiert am 5. November seinen 90. Geburtstag
Peter Moilliets
Schatten heisst Blecky und ist knapp kniehoch.Der sennenhund-Border-Collie
Mischling folgt seinem Herrchen auf Schritt und Tritt, und würde man
Bleckys Hundealter umrechnen, es wäre ähnlich stolz wie das von
Peter Moilliet, der am 5. November 90 Jahre alt wird.
Wer Peter Moilliet in seinem Atelier in Allschwil besucht, muss mit sich
überlagernden Jahrzehnten rechnen. 1949 kaufte er das ehemalige Bauernhaus
und baute es nach und nach um, mittlerweile ist es einem Neubau gewichen,
in dem er bei seiner Tochter und deren Mann lebt. Während junge Künstler
ihren Laptop aufklappen und so ihre Arbeiten als Slideshow präsentieren,
stecken Garten, Haus und Atelier Peter Moilliets voller Erinnerungen an
ein langes Künstlerleben.
Im Haus hängen Aquarelle seines Vaters Louis Moilliet, die er auf seiner
Tunisreise mit Klee und Macke malte. Im Atelier sind Besprechungen einer
Kreis-48-Ausstellung in Moutier von 2008 an die Wand gepinnt neben abbildungen
von romanischen Reliefs und eigenen Werken, etwa der Pietà und den
vier Evangelisten vom Hörnli. Die Aufnahmen sind für seine Retrospektive
im Kunstraum Riehen im vergangenen Jahr entstanden.
Die Liebe zur Rundung
Durch den Garten läuft eine Herde von steinernen Wildschweinen, am
Teich schauen einige kleine Frauenskulpturen ins Wasser. Es sind Entwürfe
geblieben, mit denen er sich an einem Wettbewerb beteiligte und dann doch
nicht gewann, berichtet Moilliet. Ein gut drei Meter hoher Steinkegel dominiert
den Garten, aus ihm ragt schelmisch eine Figur. Später zeigt sich,
es sind Maria und Josef. Maria muss wohl überwachsen sein.
Peter Moilliet hat sich regelrecht eingegraben hier in Allschwil. Ob es
wohl etwas damit zu tun hat, dass die Zeiten sich änderten und Künstler
nachkamen, die während ihrer Ausbildung weniger abgeschnitten von internationalen
Einflüssen waren wie der 1921 in Bern geborene Peter Moilliet? Denn
über Jahre hin holte er Lehm aus dem Keller, so wie er als Bildhauer
die Figur aus dem Stein schnitt. Der Kegel im Garten ist aus dem Aushub
entstanden, unter seinem Atelier ist ein hoher Raum, der in der Familie
die Katakombe heisst. Wie in einer Kirche hat Moilliet Nischen für
Figuren geschaffen, nicht unbedingt Heilige, dazu liebte er das Runde, die
weiblichen Formen zu sehr, wie er sagte. Stattdessen also Akte, Porträtköpfe
und Reliefs. Doch auch sein Atelier ist voll von seinen Arbeiten. "Sie
stehen einfach da. Es ist nichts Weltbewegendes, was hier passiert",
sagt er. Zeitlos, denkt man und weiss doch, dass dies nicht ganz stimmt.
Reduzierte Formensprache
Sein Handwerk lernte Peter Moilliet bei Karl Geiser und Germaine Richier
in Zürich, wo er auch seine Frau Maria Marcella Vanz kennenlernte,
die als Modell arbeitete. 1945 liess er sich wieder in Basel nieder, wo
er als freier Künstler arbeitete. Früh kam die öffentliche
Anerkennung, er war 1946 beim Kunstkredit erfolgreich und auch beim Eidgenössischen
Kunststipendium.
Eng muss es damals in der Kunstszene zugegangen sein. Die Gruppe Kreis 48
gründete sich, um ihre Interessen gegen eine ältere Generation
durchzusetzen. Im Rückblick sagt Moilliet, sei man isoliert gewesen
mit seinem eigenen Talent ohne Einfluss von aussen. Bis auf wenige Ausnahmen
arbeitete er immer figürlich, die Formensprache ist stark reduziert,
manches erinnert an Aristide Maillol, manches an die Romanik, mit durchaus
originellen Formlösungen. So beendete er 1966 nach drei Jahren die
Monumentalskulptur der vier Evangelisten auf dem Hörnli. Die vier Evangelisten
stützen eine Platte, die für die Schwere der Welt steht. Früher
sei er religiöser gewesen als heute, sagt Moilliet. Die letzte Arbeit,
die er in diesem Jahr geschaffen hat, ist die Figur eines Liebespaares,
er zeigt sie und lächelt leise.